Eines Morgens trat Zacharias, der Zauberer zur gewohnten Zeit auf die Lichtung vor seiner Hütte, in der er mit seinem Lehrling Jakob lebte. Obwohl es schon heller Tag hätte sein müssen, war es stockfinster draußen! Er erschrak sehr und beriet sich mit Jakob. Sie grübelten eine Weile, warum die Sonne nicht wie sonst im Osten aufgegangen war, fanden aber keine Lösung. Zacharias sprach: „Nun, wenn wir es nicht herausfinden, obwohl wir Zauberer sind, bleibt nur noch eine Möglichkeit: Wir fragen die weise Hexe Babayaga um Rat.

So machten sich die Beiden auf den Weg. Es war schon normalerweise ein langer, beschwerlicher Weg, doch nun, da man kaum die Hand vor Augen sah, war er fast unmöglich zu bewältigen. Mit viel Geduld kamen Zacharias und Jakob aber schließlich ans Ziel: Die Höhle der weisen Babayaga. Über der Höhle leuchtete als einzige Lichtquelle ein kleiner Stern.

Aus der Höhle drang ein kräftiges Schnarchen, wie von einem alten Walross…die Zauberer trauten sich nicht, die Hexe zu wecken, um sie nicht ungnädig zu stimmen. Sie machten also ein Feuerchen vor der Höhle, um sich die Zeit zu vertreiben, und, siehe da, es war schon ein klein wenig heller.

Nach einiger Zeit drangen neue Geräusche aus der Höhle – es ächzte, es stöhnte, es gähnte…und endlich erschien Babayagas runzliges Gesicht im Höhleneingang. „Oh, Besuch, wie wunderrrrbarrrr!“ rief die Hexe. „Wie lange haben wir uns nicht gesehen, liebärrr Frreund Zacharrrrias! Und wen brrringst du mir denn da mit? So ein hübsches junges Bürrrschchen?“ „Das ist Jakob, mein Lehrling!“ antwortete der Zauberer. In dem Moment erschrak die Hexe: „Ach du liebe Zeit, hinter dem Feuerchen ist es ja ganz dunkel!!! Was ist denn los? Habe ich den ganzen Tag verschlafen?“ „Nein nein, liebe Babayaga, heute morgen ist die Sonne nicht aufgegangen, wir wissen auch nicht, warum. Darum sind wir zu Dir gekommen. Weißt du nicht einen Rat?“

Babayaga überlegte. Sie schloss die Augen und atmete tief. Das Feuer knisterte und wisperte. Dann, als die Zauberer schon beinahe die Hoffnung aufgegeben hatten, sprang sie auf. Sie griff mit ihren feuerfesten Händen mitten ins Feuer hinein, holte ein Bündel Flammen heraus und schleuderte es mit aller Kraft an den Himmel. Dort verband sich das Feuer mit dem Licht des kleinen Sterns und verschmolz zu einer neuen, prächtigen Sonne, strahlend wie reines Gold. Sofort brach helles Tageslicht an und alle drei tanzten jubelnd ums Feuer. Doch wohin die alte Sonne verschwunden war, haben sie bis heute nicht herausgefunden!

– Ein Märchen von Sophia und den Waldmäusen

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